„Ich werde diese Geschichte nicht los“

Georg Richter hat seine Erinnerungen an Krieg und Gefangenschaft aufgeschrieben

„Nein, bis Corona weg ist, können wir nicht warten“, sagt Georg Richter sofort. Er ist 94 Jahre alt, und es ist ihm wichtig, seine Geschichte zu schildern. Jetzt hat er ein Buch herausgebracht. Es trägt den Titel „Neun Jahre lebendig tot. Kriegsgefangenschaft in Russland und Ungarn.“

Seit 67 Jahren lebt Richter in Deutschland. Und doch sagt er: „Ich werde diese Geschichte niemals los.“ Es sei eine Geschichte, aus der junge Leute etwas lernen können. Sie können sich „ein Beispiel nehmen, wie man in ausweglosen Situationen das Leben trotzdem meistern kann“. Ausweglose Situationen hat er viele erdulden müssen.

Georg Richter wurde 1926 in einer kleinen Gemeinde im Süden Ungarns geboren. 90% der Menschen dort waren deutsch. Nach dem Abitur, mit 18, wurde er als „Volksdeutscher“ eingezogen. Er wurde zur Waffen-SS zwangsrekrutiert, sonst wären seine Eltern inhaftiert worden. „Man nannte uns Freiwillige, aber freiwillig war da nichts!“ Richter musste nicht an die Front, er machte Sanitätsdienst. Nach fünf Monaten kam er in russische Gefangenschaft, und eine fast neunjährige Odyssee des Schreckens begann. Er war in mehr als 20 Lagern. Er erlebte Gefangenschaft und Todesangst, Demütigung und Misshandlung, Lügen und Verrat, Entbehrungen, Hunger und Zwangsarbeit im Steinbruch. Und er sah Freunde sterben. Wenn er davon erzählt, merkt man an den vielen Details, wie plastisch er das schreckliche Geschehen immer noch vor Augen hat.

Ende 1950 wurde er aus der russischen Kriegsgefangenschaft nach Ungarn entlassen, dort sogleich vom ungarischen Geheimdienst verhaftet und für drei weitere Jahre in das berüchtigte Schweigelager nach Tiszalök überstellt. Das Martyrium wollte und wollte nicht enden. Erst im Dezember 1953 kam er endgültig frei und wurde sofort des Landes verwiesen. Er kam nach Deutschland – seine Eltern lebten bereits als Vertriebene in Dietenheim bei Ulm. „Bitter“ seien die ersten Jahre in Deutschland gewesen, „aber dann ging es nach und nach besser.“

Aus Ungarn bekommt er heute eine Entschädigung, 20 Euro pro Monat „für neun Jahre Kriegsgefangenschaft und den Verlust des Elternhauses“, aber doch immerhin eine Art Anerkennung. Lange genug sei in Ungarn alles unter den Teppich gekehrt worden.

Was haben die Erfahrungen mit ihm gemacht? Er sei „ein versöhnlicher Mensch“, sagt Georg Richter, „dauerhafte Fehde bringt nichts. Ich reiche, nach allem, was ich erlebt habe, den Anderen die Hand. Man muss an die Zukunft denken.“ Nur vergessen, das dürfe man nicht. „Wenn man diese Geschichte nicht festhält, ist sie weg! Für immer verloren!“

 

Quelle: Magdi Aboul-Kheir/Südwestpresse

Ausschreibung Donauschwäbischer Kulturpreis 2021

Innenminister Thomas Strobl: „Verleihung ist wichtiges Zeichen an Kulturschaffende in schwierigen Zeiten“

„Wir vergeben den Donauschwäbischen Kulturpreis in diesem Jahr zum 40. Mal. Gerade in einer Zeit, die Kulturschaffende und in der Kulturvermittlung tätige Menschen aufgrund der Corona-Pandemie vor besondere Herausforderungen stellt, können wir damit ein Zeichen setzen und anerkennen, wie wertvoll ihr Engagement für unsere Gesellschaft ist“, sagte der Stv. Ministerpräsident, Innenminister und Landesbeauftragte für Vertriebene und Spätaussiedler Thomas Strobl. Anlass war die Ausschreibung für den Donauschwäbischen Kulturpreis 2021.

Um das Werk und Wirken der Kulturschaffenden und Kulturvermittelnden herauszustellen und auszuzeichnen, vergibt das Land Baden-Württemberg alle zwei Jahre den Donauschwäbischen Kulturpreis. In diesem Jahr wird der Preis für den Bereich Kulturvermittlung (Literatur – Musik – Bildende Kunst – Medien) ausgeschrieben. Bewerbungsschluss ist der 31. Mai 2021.

Neben einem mit 5.000 Euro dotierten Hauptpreis sind zwei Förderpreise in Höhe von jeweils 2.500 Euro vorgesehen, mit denen jüngere Personen ausgezeichnet werden, die sich erfolgreich als Kulturschaffende oder in der Kulturvermittlung engagieren. Der Preis wird an Personen verliehen, deren Werk Bezüge zur donauschwäbischen Kultur hat. Angesprochen sind auch Einrichtungen und Initiativen, die kulturelle Angebote zur Geschichte und Kultur der Donauschwaben präsentieren.

„Die Geschichte der Donauschwaben mit ihrer traurigen Wahrheit von Flucht und Vertreibung hat in der Gegenwart nichts an Aktualität verloren. Die Kulturschaffenden und Akteure in der Kulturvermittlung lassen diese Geschichte auf vielfältige künstlerische Weise im Heute erfahrbar werden“, bekräftigte Innenminister Thomas Strobl.

 

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Ausführliche Informationen zum Vergabeverfahren sind auf den Internetseiten des Hauses der Heimat des Landes Baden-Württemberg eingestellt. Gern erteilt das Haus der Heimat des Landes Baden-Württemberg weitere Auskünfte (0711/66951-14).

 

„Der nicht sieht, ist nicht blind“

Wie eine glückliche Kindheit in Vértesacsa zum Glück für zahlreiche blinde ungarische Kinder wurde

Am 13. Januar 2021 starb Schwester Anna an Corona. Geboren wurde Anna Fehér 1947 in Vértesacsa als Tochter der ungarndeutschen Bauernfamilie Josef Fehér und Anna Fufnagel.

Als tief religiöse Katholikin schloss sich Anna Fehér der Ordensgemeinschaft der Elisabethinnen an, der sich zur Hilfe für Notleidende verpflichtet.

Da sie bereits als Kind selbst an einer starken Sehschwäche litt, gründete Schwester Anna 1982 in Budapest das St.-Anna-Heim für mehrfach körperlich wie seh- und hörbehinderte Kinder. Anfangs kümmerte sie sich in zwei Kellerwohnungen um 15 Kinder – unterstützt von der St.-Anna-Gemeinde am Batthyány Tér.

1989 stellte ihr die Stadt in den Budaer Bergen ein leerstehendes Gebäude zur Verfügung. Es gelang ihr, das große Haus mit Garten zu renovieren, einen Kindergarten und eine Schule einzurichten. Unterstützt wurde sie u.a. von der Christoffel Blindenmission, dem deutschen katholischen Blindenwerk, dem Schweizer Bauorden, der Caritas und Renovabis.

2015 wurde der Anbau durch den ungarischen Außenminister Peter Szijjárto übergeben. Heute heißt es „Batthyány László Kinderheim“, benannt nach dem bekannten ungarischen Arzt der Armen László Batthyány.

Viele Kinder lernten in Schwester Annas Heim mit viel Zuwendung, trotz schwersten Behinderungen sprechen, laufen, musizieren bis hin zur Selbstversorgung und handwerkliche Fähigkeiten. Heilgymnastik, Hydrotherapie und Unterwassermassage schulen Wahrnehmung, Tastsinn und Beweglichkeit. Schwester Annas Fachteam hat dafür individuelle Sitzmodule und fast 40 Hilfsgeräte nach dem Motto „Bewegen heißt heilen“ entwickelt. Schwester Anna war es sehr wichtig, dass die inzwischen erwachsen Kinder auch weiterhin gut untergebracht sind.

Schwester Anna übersetzte als Erste die Bibel auf Ungarisch in Braille-Schrift. Papst Johann Paul II segnete 1991 ihr Werk persönlich. Sie traf sich mit Mutter Theresa, und auch die Gattin des damaligen US-Präsidenten Barbara Busch besuchte 1989 ihr Heim.

Jetzt ist Schwester Anna Opfer der Corona-Pandemie geworden. Es bleibt zu hoffen, dass das Werk von Schwester Anna fortgeführt wird und noch viele weitere Menschen zu guten Taten inspiriert.

(Quelle: Ilona Schmuck / Foto: www.mandiner.hu)

„Corona versus Landsmannschaft“

Absage des Bundesschwabenballs 2021 in Gerlingen

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Landsleute,
liebe Freunde der ungarndeutschen Kultur,

das Kalenderjahr 2021 beginnt leider so, wie das das alte Jahr endete. Es ist gezeichnet von harten Einschnitten aufgrund der Corona-Pandemie in Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur. Ein erneuter Lockdown, der noch vor dem Jahreswechsel begann, führte bislang nicht zum gewünschten Erfolg. Die Inzidenz-Zahlen sanken zuletzt zwar stetig, doch sind sie für großzügige Lockerungen immer noch zu hoch. Die Entwicklung eines Impfstoffes verbreitete zunächst Hoffnung und Zuversicht. Doch verlief der Impfstart eher schleppend als erfolgreich. Die Mutationen des Virus verbreiten weiterhin große Sorgen.

Auch wir – seitens der Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn – hatten die feste Absicht, mit unserem traditionellen Bundesschwabenball in unserer Patenstadt Gerlingen unsere wertvolle Arbeit zum Wohle unserer Kultur- und Brauchtumspflege wieder aufnehmen. Leider ist das aufgrund der Pandemie nicht so einfach, da Veranstaltungen dieser Art und Größe momentan noch nicht möglich sind.

In enger Abstimmung mit dem Bürgermeister unserer Patenstadt Gerlingen, Herrn Dirk Oestringer, hat das Bundespräsidium unserer Landsmannschaft zusammen mit dem Landesvorstand der LDU in Baden-Württemberg beschlossen, den für den 17. April 2021 vorgesehenen 65. Bundesschwabenball – als Präsenzveranstaltung – abzusagen. Natürlich bedauern wir das sehr.

Aktuell plant die Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn, einen kleinen virtuellen Bundes-schwabenball auszurichten. Hierzu möchte ich Sie bereits heute recht herzlich einladen.

Detaillierte Informationen werden wir über unseren LDU-Newsletter bzw. auf unserer Homepage www.ldu-online.de zu gegebener Zeit zur Verfügung stellen.

 

Bleiben Sie gesund!

 

Joschi Ament
Bundesvorsitzender

„Ich bewundere, wie kreativ die Vertriebenen und Spätaussiedler in dieser schwierigen Zeit ihre Gemeinschaft gelebt haben“

Jahresbilanz 2020 des Landesbeauftragten für Vertriebene und Spätaussiedler Thomas Strobl

„2020 war ein merkwürdiges Jahr, ein Jahr, das ganz anders verlief als erwartet und das uns in vielen Bereichen vor neue Herausforderungen gestellt hat. Geplant war ein Jahr mit vielen geselligen Treffen und Veranstaltungen zur Pflege und Weitergabe der kulturellen Traditionen – wie in den Vorjahren auch. Wir mussten stattdessen Verzicht üben und konnten Vertrautes nicht wie gewohnt leben. Großartig finde ich, wie die Verbände angesichts der Pandemie neue Formate der Begegnung kennengelernt und eingesetzt haben“, sagte Baden-Württembergs stellvertretende Ministerpräsident, Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration und Landesbeauftragte für Vertriebene und Spätaussiedler Thomas Strobl im Rückblick auf das Jahr 2020.

„Für die Vertriebenen und Spätaussiedler und uns alle war 2020 ein ganz besonderes Jahr mit einem ganz besonderen Höhepunkt – die 70. Wiederkehr des Tages, an dem in Bad Cannstatt die Charta der deutschen Heimatvertriebenen beschlossen wurde. Glücklicherweise konnten wir das 70-jährige Jubiläum nachträglich im September in einem festlichen Rahmen bei der Veranstaltung zum Tag der Heimat in der Liederhalle in Stuttgart würdigen. Seinerzeit hatten die Heimatvertriebenen ihre berechtigten Wünsche nach einer besseren Eingliederung in die deutsche Gesellschaft und gerechteren Lastenverteilung mit der Zusage verknüpften, sich beim Wiederaufbau in Frieden und Freiheit voll und ganz einzubringen. Diese Zusage haben die Heimatvertriebenen wahrhaft vorbildlich erfüllt. Mit dem expliziten Verzicht auf Rache und Vergeltung gehören die Heimatvertriebenen auch zu den Vorreitern der europäischen Einigung, insbesondere mit Blick auf unsere mittel- und osteuropäischen Nachbarn“, so der Innenminister Thomas Strobl.

„Für das Jahr 2021 können mit zusätzlichen Landesmitteln auch einige größere Investitionsmaßnahmen durchgeführt werden: die Aktualisierung der Dauerausstellung im Donauschwäbischen Zentralmuseum in Ulm, die voraussichtlich im kommenden November neu eröffnet werden kann, die derzeit bereits laufende Sanierung des Hauses der Russlanddeutschen in Stuttgart und die Sanierung des Hauses der Donauschwaben in Sindelfingen, für die ab dem kommenden Jahr Mittel zur Verfügung stehen. Ich freue mich, dass wir zum Erhalt und zur Pflege der Kultur der Vertriebenen und Spätaussiedler einen guten Beitrag leisten konnten und können“, betonte der stellvertretende Ministerpräsident, Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration und Landesbeauftragte für Vertriebene und Spätaussiedler Thomas Strobl.

(Quelle: Pressestelle des Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg / Bild: Laurence Chaperon)

„Ein Akt des Bekennens der historischen Schuld“

Gedenken in Deutschland und Ungarn an den 19. Januar 1946

Ministerpräsident Viktor Orbán zusammen mit Imre Ritter in Budaörs am 19. Januar 2021

In Zeiten, in denen es die Corona-Pandemie weder in Deutschland noch in Ungarn erlaubt, sich in großen Gruppen zum Gedenktag zur Erinnerung an die Verschleppung und Vertreibung der Ungarndeutschen zu treffen, fanden sich am 19. Januar in den Ungarischen Generalkonsulaten in Stuttgart und München viele Menschen zu virtuellen Gedenkstunden ein.

In Ungarn selbst legte Ministerpräsident Viktor Orbán zusammen mit dem Abgeordneten der Ungarndeutschen in der Ungarischen Nationalversammlung Imre Ritter einen Kranz an der Gedenktafel der Vertriebenen Ungarndeutschen am Bahnhof von Wudersch (Budaörs) nieder, da auch dort die große offizielle Gedenkveranstaltung – die in diesem Jahr in Bonnhard/Bonyhád vorgesehen war – aufgrund der COVID-Beschränkungen nicht stattfinden konnte.

Über die Kranzniederlegung am Dienstagmorgen erinnerte sich Viktor Orbán auch im sozialen Netzwerk und schrieb zu seinem Post: „Der 75. Jahrestag der Vertreibung der Ungarndeutschen. Grausam für die Opfer. Würdevolle Erinnerung an diejenigen, die gelitten haben. Der 75. Jahrestag der Vertreibung der Ungarndeutschen. Ehrfurcht den Opfern. Gebührende Erinnerung an die Leidenden.“

Neben zahlreichen weiteren hochrangigen Rednern aus Deutschland und Ungarn hielten die beiden ranghöchsten Vertreter der Ungarndeutschen – Ibolya Hock-Englender, stellvertretend für die in Ungarn verbliebenen Ungarndeutschen, und Joschi Ament, stellvertretend für die nach Deutschland vertriebenen Ungarndeutschen – sehr persönliche und emotionale Gedenkansprachen.

Sämtliche virtuell gehaltenen Reden sind über die entsprechenden Internetseiten der Ungarischen Generalkonsulate in Stuttgart und München abrufbar.

„Bürgermeister mit Ungarndeutschen Wurzeln“

Tobias Meyer gewinnt Bürgermeisterwahl in Haßloch

Der neue Bürgermeister von Haßloch heißt Tobias Meyer. Der 41-jährige setzte sich im entscheidenden zweiten Wahlgang um das Amt des Gemeindeoberhauptes durch und wird nun für die kommenden acht Jahre die Geschicke der rheindland-pfälzischen Ge-meinde lenken.

Tobias Meyer leitete bereits seit Ende 2019 kommissarisch die Haßlocher Verwaltung aufgrund des krankheitsbedingten Ausscheidens des bisherigen Bürgermeisters.

Der aus Hessen stammende Studienrat war 2014 zum Ersten Beigeordneten gewählt worden und war in der Kommune mit rund 20.000 Einwohnern fast fünf Jahre lang unter anderem für Ordnungsamt, Grundschulen und Tourismus zuständig.

Tobias Meyer ist verheiratet und hat vier Söhne. Seine Vorfahren stammen aus der ungarndeutschen Gemeinde Cikó im Komitat Tolna. In diese Region pflegt Meyer seit vielen Jahren gute Kontakte. Er ist sowohl Mitglied der Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn als auch der Donaudeutschen Landsmannschaft. Seit 2018 ist Tobias Meyer zudem Vorsitzender des Landesverbandes des Bundes der Vertriebenen in Rheinland Pfalz.

Bundesvorsitzender Joschi Ament überbrachte die Glückwünsche der LDU und zeigte sich erfreut, dass sich ein Landsmann mit ungarndeutschen Wurzeln künftig als Bürgermeister für die Menschen seiner Gemeinde einsetze. Hierzu wünschte Ament viel Glück und Erfolg zum Wohle der Gemeinde und den Bürgerinnen und Bürgern von Haßloch.

„Die Vertreibung der Ungarndeutschen“

Virtuelle Gedenkveranstaltung am 19. Januar 2021 zur ungarndeutschen Geschichte in Stuttgart

Das Ungarische Kulturinstitut in Stuttgart hat 2018 mit dieser Veranstaltungsreihe eine neue Tradition ins Leben gerufen und erinnert auch dieses Jahr an die Vertreibung der Ungarndeutschen aus Ungarn. Mehr als 200.000 Deutsche sind nach dem Zweiten Weltkrieg aus Ungarn vertrieben worden, wodurch Ungarn ein Stück seiner ungarndeutschen Identität verlor.

Die Einführung eines offiziellen Gedenktags am 19. Januar für die vertriebenen Ungarndeutschen, die vom ungarischen Parlament initiiert wurde, ist eine wohlwollende Geste der Versöhnung in Europa. Im Jahr 2021 kann unsere Gedenkveranstaltung coronabedingt leider nicht als Präsenzveranstaltung durchgeführt werden, doch wollen wir mit dieser schönen Tradition nicht brechen und bieten Ihnen das Programm daher im virtuellen Raum an.

 

Eröffnung

Dr. Dezső B. Szabó, Leiter des Ungarischen Kulturinstituts in Stuttgart

Grußworte

Dr. András Izsák, Generalkonsul von Ungarn in Stuttgart

Joschi Ament, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn

Ibolya Hock-Englender, Vorsitzende der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen

Rede

Miklós Soltész, Staatssekretär für Kirchen, Minderheiten und zivile Angelegenheiten

Im Anschluss: Kulturprogramm

Wir präsentieren den Film des ungarischen Regisseurs Tamás Gábeli mit dem Titel „Endgültig ausgewiesen” (Végleg kitiltva) ca. 60 Minuten

Die Veranstaltung ist auf unseren digitalen Kanälen sowie über den am Vortag zugesendeten Link zu erreichen.

Anmeldung über: uki-s@uki-s.de

 

Virtuelle Gedenkveranstaltung am 19. Januar 2021 für die vertriebenen Ungarndeutschen in München

Das Generalkonsulat von Ungarn in Bayern und das Haus des Deutschen Ostens möchten auch unter den gegenwärtigen besonderen Umständen den Gedenktag für die vertriebenen Ungarndeutschen begehen.

Aus diesem Anlass wird der Film „Ewiger Winter” online präsentiert.

Am Gedenktag werden wir Videobotschaften von den folgenden Persönlichkeiten auf unserer Facebook-Seite teilen:

 

Gábor Tordai-Lejkó, Generalkonsul von Ungarn in Bayern

Prof. Dr. Andreas Otto Weber, Direktor des Hauses des Deutschen Ostens

Dr. Dr. h.c. Bernd Fabritius, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten

Sylvia Stiertorfer, Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für Aussiedler und Vertriebene

 

Der Film in Originalsprache mit deutschem Untertitel wird vom 19. Januar, 12:00 Uhr bis 24. Januar, 24:00 zugänglich sein. Dafür ist eine vorherige Anmeldung per E-Mail unter einladung-muenchen@mfa.gov.hu bis zum 18. Januar 2021 nötig. Danach bekommen Sie einen Link und einen Kode von uns zugeschickt, die Ihnen den Zugang zum Film ermöglichen werden.

„Wir wollen dem Andenken von Otto Heinek eine ständige Präsenz verleihen“

Gedenkstätte zu Ehren des verstorbenen Vorsitzenden der LdU in Ungarn eingeweiht

Eine Installation – bestehend aus einer dreiteiligen Statue, einer Bank und einem Rosmarinstrauch – verschönert zukünftig den Hof der Geschäftsstelle der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen in Budapest. Am 6. September wurde die zu Ehren des 2018 verstorbenen Vorsitzenden der LdU, Otto Heinek angelegte Gedenkstätte im Rahmen einer bescheidenen Gedenkfeier, nur in Anwesenheit der Mitglieder der Familie Heinek und der LdU-Vollversammlung, sowie im Beisein von Mitarbeitern und Freunden des gewesenen LdU-Chefs eingeweiht. Gedenkansprache hielt die derzeitige Vorsitzende der Landesselbstverwaltung.

In der Mitte eine ecce-homo-artige Männergestalt, links davon ein Schutzengel, und auf der rechten Seite eine Pflanze der Pietät: Das Standbild gestaltete der in Nadasch lebende und schaffende ungarndeutsche Bildhauer Anton Dechandt aus Weingartenpfähle, die er vor einigen Jahren von Otto Heinek persönlich für seine künstlerischen Zwecke geschenkt erhalten hatte.

„Das Kunstwerk soll uns sagen, dass er – die Männergestalt in der Mitte der Skulptur – durch sein geistiges Erbe uns immer wie ein Schutzengel beisteht und uns dazu verpflichtet, die Pflanze – das Ungarndeutschtum -, die er sorgenvoll gepflegt hat, immer wieder neu sprießen zu lassen“, betonte in ihrer Gedenkansprache Ibolya Hock-Englender, Vorsitzende der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen.

„Mit ungeheurer Energie, mit Pflichtbewusstsein, Können, Weisheit und Ausgeglichenheit bahnte er den Weg der in Ungarn lebenden deutschen Gemeinschaft“, zitierte LdU-Chefin Hock-Englender Gedanken der damaligen Abschiedszeremonie. „Unter seiner Leitung erstarkten die deutschen Selbstverwaltungen und Zivilorganisationen landesweit, gewannen die Bildungseinrichtungen an Eigenverantwortung, während seiner Amtszeit verankerte die Landesselbstverwaltung ihre Ziele in einer Strategie, und auch die Kontakte mit anderen Nationalitäten, sowie mit den deutschen Minderheiten der anderen Länder wurden intensiviert. Für seinen mühevollen Einsatz für die Nationalitäten Ungarns durfte er 1999 das Offizierskreuz des Verdienstordens der Republik Ungarn, 2004 das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland entgegennehmen. In seiner Person vereinten sich Nationalitätenpolitiker, Fachmann und Mensch, der für uns immer da war. Begeisterter, tatkräftiger, aber auch nüchterner, strenger und kritischer Leiter – so kannten Otto alle, die im Kontakt mit ihm standen. Sein Wort zählte überall – so im Inland wie im Ausland. Inspirierende Gespräche, Weisheiten, die sich ein Leben lang einprägten, ganz viel Empathie und noch mehr Humor – wir alle, die wir Otto Heinek persönlich kannten, werden ihn so in Erinnerung behalten.“

Quelle: www.ldu.hu

„Niemand hat das Recht von uns zu verlangen, dass wir vergessen“

Vor 75 Jahren wird die Vertreibung der Ungarndeutschen beschlossen

Landesgedenkstätte zur Erinnerung an die Vertreibung der Ungarndeutschen in Elek

Was sich über Monate hinweg angekündigt hatte, wurde anlässlich der Sitzung der Ungarischen Übergangsregierung vom 22. Dezember 1945 in Debrecen beschlossen und mit der Regierungsverordnung Nr. 12.330/1945 M.E. vom 29. Dezember 1945 im ungarischen Staatsanzeiger unter Nr. 211 veröffentlicht. Die Rede ist von der Vertreibung der Ungarndeutschen.

Drei Wochen später – am 19. Januar 1946 – begann dann in der Budapest nächst gelegenen 10.000 Einwohner zählenden Gemeinde Budaörs offiziell das wohl einschneidendste Ereignis in der Geschichte der Ungarndeutschen.

Die Ereignisse in Budaörs verdienen in jeder Beziehung die Bezeichnung „Vertreibung“, denn die zuerst ins Auge gefassten Familien wurden in einer Nacht- und Nebelaktion durch Klopfen und Poltern der Polizei an den Fenstern und Türen buchstäblich aus ihren Betten geholt.

Mit dem Allernötigsten in Bündeln wurden sie dann zum Gemeindehaus gejagt und von dort bei Tagesanbruch zum Bahnhof getrieben und in die bereitstehenden Viehwaggons gepfercht. Noch am gleichen Tag rollte der erste Transport in Richtung Westen ab.

In der Zeit vom 19. Januar 1946 bis Dezember 1946 wurden etwa 170.000 Ungarndeutsche nach Deutschland in die amerikanische Besatzungszone vertrieben. Im Zeitraum vom August 1947 bis Juni 1948 sollten nochmals knapp 50.000 Ungarndeutsche folgen, die in die sowjetische Besatzungszone abgeschoben wurden.

Etwa 200.000 Ungarndeutsche, von denen etwa 60.000 für Jahre zur Zwangsarbeit nach Russland deportiert worden waren, blieben zurück in Ungarn.

Die veröffentlichte Vertreibungsverordnung vom 29.12.1945

Dabei geben diese Zahlen nur ein gefühlloses statistisches Bild der Tragödie wider. Sie sagen nichts über das Leid, die Verzweiflung, die Not der Unglücklichen, aus ihren Häusern gejagt, ihrer Habe beraubt und erniedrigt.

Die Entrechtung und Vertreibung traf diese Menschen bis an die Wurzel ihrer Existenz. Ihre Familien, ihre Gemeinden, ihre Siedlungsgebiete und ihre Organisationen wurden aufgelöst, ihr Vermögen geraubt, ihre Einrichtungen zerschlagen. Rechtlos und diskriminiert blickten sie in eine ungewisse Zukunft.

Zu all diesen Entbehrungen und Schikanen kam noch die Wochen und Monate währende Ungewissheit über den Umfang der Vertreibung: wer muss gehen, wer darf bleiben?

Wer zählt die Tränen, wer misst den Kummer, wer vermag das Leid, den Gram und den Schmerz mit gebührenden Worten zu schildern, der die Herzen jener Frauen und Männern erfüllte, als sie sich von dem loslösen mussten, was sie sich Jahre, vielleicht Jahrzehnte lang durch viel Mühe und harte Arbeit erwirtschaftet hatten, und das nicht zuletzt deshalb ihre Heimat war.

Als Enkel nach Baden-Württemberg vertriebener Ungarndeutschen weiß ich nur aus Erzählungen, wie mühevoll und entbehrungsreich der Neubeginn meiner Familie und meiner Landsleute in der Fremde, in einem zerstörten Deutschland war.

Umso wichtiger ist es für mich, dass wir die Erinnerung wachhalten und vor dem Vergessen bewahren – und auch künftig von unserem Schicksal erzählen werden.

Dass die Aussiedlung der Schwaben – so der beschönigende amtliche Sprachgebrauch – nicht – wie in Ungarn jahrzehntelang offiziell dargestellt – eine Folge der Beschlüsse der Potsdamer Konferenz war, belegen die heute zugänglichen Quellen in den ehemaligen Geheimarchiven.

Abgesehen davon: in Ziffer XII des geschlossenen Potsdamer Abkommens stand, dass „die Überführung der deutschen Bevölkerungselemente geordnet und human“ gehen soll.

Ich frage mich dabei: wie können eigentlich Haus und Hof, das Dorf, ja die Heimat, in humaner Weise weggenommen werden?

Prof. Dr. Hans-Gert Pöttering, damals Präsident des Europäischen Parlaments, zitierte anlässlich seiner Rede zum Tag der Heimat 2007 in Berlin den Brückenbauer und Erzbischof von Oppeln Alfons Nossol, der einmal sagte: „Niemand hat das Recht von uns zu verlangen, dass wir vergessen. Der Wille zu vergeben und der Wille zu vergessen, sind nicht das Gleiche.“ Erinnerung, Vergebung und Versöhnung gehören zusammen.

Und Frau Dr. Katalin Szili, damalige ungarische Parlamentspräsidentin, sprach anlässlich der Gedenkkonferenz zum 60. Jahrestag der Vertreibung im Ungarischen Parlament: „Deshalb können die Wunden erst geheilt werden, wenn die Schrecken ausgesprochen, die Verantwortlichen namhaft gemacht, und die Opfer um Verzeihung gebeten werden.“

Der 75. Jahrestag der Vertreibung gibt uns einen besonderen Anlass, an diese schändlichen Ereignisse zu erinnern, die unseren Eltern und Großeltern widerfahren sind.

Der 75. Jahrestag gibt uns aber auch die Möglichkeit, uns für Verständigung, gegenseitige Akzeptanz und Toleranz der Menschen untereinander einzusetzen – über Grenzen hinweg, in einem vereinten Europa – vom Kleinen bis zum Großen – damit unseren Kindern und Enkelkindern das Leid der Vertreibung erspart bleibt.

Joschi Ament, Bundesvorsitzender