„Die Europäische Urkatastrophe“

Am 4. Juni 2020 jährt sich das Friedensdiktat von Trianon zum 100. Mal

Karte der territorialen Aufteilung Österreich-Ungarns nach den Pariser Vorortverträgen (Quelle: wikipedia.org)

Der amerikanische Diplomat und Publizist George F. Kennan bezeichnete den Ersten Weltkrieg als die „europäische Urkatastrophe“, denn das europäische System, das bis 1914 auf fünf Großmächten beruht hatte, existierte nach dem Ersten Weltkrieg nicht mehr.

Eine nichteuropäische Großmacht, die USA, hatte im Grunde den Krieg entschieden; zwei europäische Großmächte, Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich waren unter-gegangen; Russland war ebenfalls aufgrund der Oktoberrevolution als Ganzes gelähmt; das um 10% territorial verkleinerte Deutschland war seit den als Schmach empfundenen Friedensbedingungen von Versailles nicht aktionsfähig und unter den Siegermächten war Italien durch den Krieg außerordentlich geschwächt. Einem auf dem Kontinent dominierenden Frankreich stand zunächst keine kontinentale Großmacht mehr gegenüber.

In den Pariser Vorortverträgen veränderten die Siegermächte die politische Landkarte Europas von Grund auf. Dem „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ folgend, übertrugen sie das Modell des französischen Nationalstaats auf Ostmittel- und Südosteuropa. Als Ergebnis der Friedensverhandlungen entstand aus der Konkursmasse der Großreiche eine Reihe von mittleren und kleineren Staaten wieder oder sie wurden neu geschaffen: die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, Polen, die Tschechoslowakei, das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, Österreich, Ungarn sowie die Türkei. 20.000 Kilometer neuer Staatsgrenzen wurden in Europa fixiert. Für etwa 80 Millionen Menschen änderte sich mit der Grenzziehungen auch die Staatsbürgerschaft, ohne dass sie ihre Heimat verlassen hatten.

Ungarn musste mit dem Vertrag von Trianon völkerrechtlich verbindlich zur Kenntnis nehmen, dass zwei Drittel des Territoriums des historischen Königreichs verschiedenen Nachbar- und Nachfolgestaaten zufielen. Die ungarische Delegation unterschrieb deshalb den Vertrag nur unter Widerspruch am 4. Juni 1920.

Die Ungarländischen Deutschen – später unter der Volksgruppe der Donauschwaben zusammengefasst – wurden somit durch den Friedensvertrag von Trianon im Wesentlichen in den Nachfolgestaaten Ungarn, Rumänien und (später) Jugoslawien verteilt und haben dort in den Folgejahren und -jahrzehnten unterschiedliche Entwicklungen erlebt.

Am 4. Juni 2020 jährt sich damit auch die Aufteilung der Volksgruppe der Ungarländischen Deutschen zum 100. Mal.

Quelle: Forschungsprojekt: Das Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte
www.geschichte-vertriebenenministerium.de

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