„Vor 75 Jahren in Ungarn“

Zum Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung

Mit der Befreiung vom Nationalsozialismus am Ende des Zweiten Weltkrieges kam nicht für alle automatisch das Ende der Gewalt. Für Millionen von Deutschen standen Flucht und Vertreibung bevor. Ein tragisches Kapitel der Nachkriegsgeschichte begann. An diese Ereignisse gedenken wir besonders am 20. Juni“, so der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn.

Joschi Ament erklärt weiter: „Vor 75 Jahren waren die ersten Auswirkungen einer kollektiven Bestrafung der Ungarndeutschen bereits deutlich sichtbar. Mit der Grundverordnung Nr. 600/1945 M.E. vom 15. März 1945 – der so genannten „Bodenreform“ – wurde die schon vollzogene oder noch zu vollziehende Enteignung volkdeutschen Grundbesitzes legalisiert.

Mit der Verordnung Nr. 3.820/1945 M.E. vom 30. Juni 1945 – zur Überprüfung der nationalen Treue – wurden die Ungarndeutschen in Verfehlungsgruppen eingeteilt und je nach Schwere eines angeblichen nationalen Verrates mit Enteignung, Internierung, Zwangsarbeit und Umsiedlung innerhalb des Landes bestraft.

Höhepunkt der Maßnahmen gegen die Ungarndeutschen war letztendlich die Ausweisungsverordnung Nr. 12.330/1945 M.E. vom 29. Dezember 1945, die die Ungarische Übergangsregierung unter Ministerpräsident Zoltán Tildy ohne Druck der Siegermächte anordnete und die Vertreibung aller ungarischen Staatsbürger vorsah, die sich zur deutschen Volkszugehörigkeit oder Muttersprache bekannt hatten. Unter diese Verordnung fielen auch meine Großeltern“, so der Bundesvorsitzende.

Nach zunächst wilden Vertreibungen ab August 1945 begann die staatlich angeordnete Vertreibung der Deutschen aus Ungarn offiziell am 19. Januar 1946 und endete erst im Juni 1948. Insgesamt wurden ca. 225.000 Ungarndeutsche vertrieben. Etwa 220.000 Ungarndeutsche verblieben in Ungarn, da die Aufnahmekapazitäten in den vier deutschen Besatzungszonen erschöpft waren.

 

Grußbotschaft von Thomas Strobl zum Gedenktag der Opfer von Flucht und Vertreibung

Seit Einführung des Gedenktags für die Opfer von Flucht und Vertreibung im Jahr 2015 hat Herr Innenminister und Landesbeauftragter für Vertriebene und Spätaussiedler Thomas Strobl alljährlich zur Gedenkfeier am Mahnmal für die Charta der deutschen Heimatvertriebenen in Stuttgart – Bad Cannstatt eingeladen. Corona-bedingt musste die Gedenkfeier in diesem Jahr leider abgesagt werden. Herr Minister bedauert dies sehr.

Als Zeichen der Verbundenheit ist es Herrn Minister ein Anliegen, der Opfer von Flucht und Vertreibung auch in diesem Jahr zu gedenken.

Die Videobotschaft von Herrn Minister zum Gedenktag am 20. Juni 2020 ist über folgenden Link abrufbar.

 

https://wetransfer.com/downloads/75f6cd571e505aa92ded9ac6a62a596f20200615111537/b86dd7b1b3e74dd994991222085b0cd520200615111556/7cc186

„Die Europäische Urkatastrophe“

Am 4. Juni 2020 jährt sich das Friedensdiktat von Trianon zum 100. Mal

Karte der territorialen Aufteilung Österreich-Ungarns nach den Pariser Vorortverträgen (Quelle: wikipedia.org)

Der amerikanische Diplomat und Publizist George F. Kennan bezeichnete den Ersten Weltkrieg als die „europäische Urkatastrophe“, denn das europäische System, das bis 1914 auf fünf Großmächten beruht hatte, existierte nach dem Ersten Weltkrieg nicht mehr.

Eine nichteuropäische Großmacht, die USA, hatte im Grunde den Krieg entschieden; zwei europäische Großmächte, Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich waren unter-gegangen; Russland war ebenfalls aufgrund der Oktoberrevolution als Ganzes gelähmt; das um 10% territorial verkleinerte Deutschland war seit den als Schmach empfundenen Friedensbedingungen von Versailles nicht aktionsfähig und unter den Siegermächten war Italien durch den Krieg außerordentlich geschwächt. Einem auf dem Kontinent dominierenden Frankreich stand zunächst keine kontinentale Großmacht mehr gegenüber.

In den Pariser Vorortverträgen veränderten die Siegermächte die politische Landkarte Europas von Grund auf. Dem „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ folgend, übertrugen sie das Modell des französischen Nationalstaats auf Ostmittel- und Südosteuropa. Als Ergebnis der Friedensverhandlungen entstand aus der Konkursmasse der Großreiche eine Reihe von mittleren und kleineren Staaten wieder oder sie wurden neu geschaffen: die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, Polen, die Tschechoslowakei, das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, Österreich, Ungarn sowie die Türkei. 20.000 Kilometer neuer Staatsgrenzen wurden in Europa fixiert. Für etwa 80 Millionen Menschen änderte sich mit der Grenzziehungen auch die Staatsbürgerschaft, ohne dass sie ihre Heimat verlassen hatten.

Ungarn musste mit dem Vertrag von Trianon völkerrechtlich verbindlich zur Kenntnis nehmen, dass zwei Drittel des Territoriums des historischen Königreichs verschiedenen Nachbar- und Nachfolgestaaten zufielen. Die ungarische Delegation unterschrieb deshalb den Vertrag nur unter Widerspruch am 4. Juni 1920.

Die Ungarländischen Deutschen – später unter der Volksgruppe der Donauschwaben zusammengefasst – wurden somit durch den Friedensvertrag von Trianon im Wesentlichen in den Nachfolgestaaten Ungarn, Rumänien und (später) Jugoslawien verteilt und haben dort in den Folgejahren und -jahrzehnten unterschiedliche Entwicklungen erlebt.

Am 4. Juni 2020 jährt sich damit auch die Aufteilung der Volksgruppe der Ungarländischen Deutschen zum 100. Mal.

Quelle: Forschungsprojekt: Das Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte
www.geschichte-vertriebenenministerium.de